Verdrehung der Tatsachen

Wo fängt Entfremdung an?

Meine Tochter kam das letzte Mal zu unserem zweiwöchigen Rhythmus wieder mal mit dem Kopf voller Läuse und Nissen. Innerhalb von drei (Grundschul-)Jahren das vierte oder fünfte Mal vom Vater zurück. (Stellen Sie sich „vom Vater“ unterstrichen vor.)

Kann ja sein. Ist auch so. Ist kein Vorwurf. Ist nun mal äußert unglücklich, dass wir ein Kind haben, was die Sch…Viecher scheinbar anzieht. Matilda hat viiiiieeeele, braune, laaaaange Haare. Der Vorteil von langen Haaren ist, man kann sie gut zusammenbinden. Was ich in bestimmten Läuse-Hoch-Saison-Zeiten (nach zweiwöchigen Ferien und Mützen Saison) auch mache. Zum Zopf geflochten unter Gemaule und Genöle und eingesprüht mit Ungeziefer-Abwehr-Spray. Nein, nicht bio und nicht vegan. Oder doch? Keine Ahnung. Mein Sarkasmus dient hier hauptsächlich dazu, um der Realität und meiner Wut Ausdruck zu verleihen. Also keine Diskriminierung von Veganern oder …. ach egal.

Warum Matilda nun jedes mal bei Kopflausbefall direkt vom Vater kam, weiß ich nicht. Gucken Männer nicht so genau? Da er allerdings so korrekt und über-penibel und einfach die „beste Mutter unter allen Vätern“ ist, kann ich das mit dem „typisch Mann“ nicht gelten lassen.

Jedenfalls schrieb ich dieses Mal dem Kindsvater eine E-Mail mit dem zusammengefassten Inhalt, was ich ihm das letzte Mal schon persönlich gesagt hatte: dass ich diese Entlausungsprozedur nicht noch einmal machen werde. Ich sitze mit Matilda am Tag der Katastrophe 2-3 Stunden im Bad und suche JEDES HAAR ab. Ich schwöre: JEDES! Die Nisse gefunden, zieh ich das ganze Haar raus (noch hat sie genug davon – jedes gezogene Haar ist ein Lause-Eier-Ablegeort weniger bei der nächsten Invasion). Matilda hat so schrecklich viel (wunderschönes warm-braun-rotes) Haar. Leider – oder zum Glück- geerbt von mir und dem Vater. Deswegen und vor allem, weil es jedes mal mich trifft, fände ich es einfach nur mehr als fair, wenn ER das nächste Mal mit der Entlausung dran wäre.

Wenn ich meine Familie anrufe oder unserer befreundeten Friseurin eine Nachricht schreibe, mit den Worten: „Frag nicht was wieder passiert ist“, wissen ALLE sofort Bescheid. Und nie habe ich was Hochprozentiges im Haus, um mir die Laus von der Kopfhaut zu trinken. Nein, ich muss da durch. Matilda und ich müssen da durch. Über eine Woche lang jeden Tag den ganzen Kopf absuchen. In den vorgeschriebenen Zeitabständen das Nyda und Co draufkippen und suchen, suchen, suchen.

ES. IST. DIE. HÖLLE. !

Und vor allem, ich muss mich ebenso behandeln. In den Stunden nach der Übergabe haben Matilda und ich schon gekuschelt und geschmust. Auf dem Sofa gelegen oder auch schon eine Nacht im Bett geschlafen.

Jetzt komme ich zum wesentlichen Teil dieses Blogposts:

Ich habe dem Kindsvater und seiner Freundin sowie Kopie fürs Jugendamt (ich hatte Wochen vorher telefonisch nachgefragt, wie ich mich verhalten soll/darf, wenn es nochmal vorkommt)  eine E-Mail gesandt, mit der Info, dass, wenn ich bei der nächsten Übergabe wieder Läuse und Nissen finde, ich Matilda an den Vater „zurücksende“ und ER diese ganze (sch…beschi…) Prozedur zu machen hat. Es war eine E-Mail hauptsächlich mit informativem Charakter. Keine Unterstellung. Keine Verurteilung.

Es kostet ZEIT! NERVEN! GELD! Und ich bin DURCH. Ich mag nicht mehr meine wertvolle Zeit mit Matilda verbringen, um die Viecher vom Kopf zu suchen. Matilda weint. Ich weine. Nein, wir wollen nicht mehr. Klar tröstet uns der Galgenhumor, aber nur begrenzt.

Ich möchte, dass Matilda und meine Zeit eine Schöne ist. Nicht mit unbequemen Stunden im Bad. Nicht mit Chemikalien auf dem Kopf. Nicht mit Entbehrungen (Freunde treffen, Unternehmungen). Wäsche waschen. Die eh frisch ist, weil ich alles wie im Hotel bereite, wenn sie endlich wieder zu mir kommt. Kuscheltiere eintüten und einfrieren. Und ja, ich hab es satt jedes mal die zu sein, die die Drecksarbeit macht.

All diesen Frust schrieb ich in diese besagte E-Mail.

Und was machen der Ex und die Next daraus? 

Matilda erzählte mir heute nach dem Übergabemontag (übrigens frei von Läusen und Nissen – Applaus, Applaus !) , dass die Next zu Matilda gesagt hat: „Wenn Du das nächste Mal Läuse hast, will Dich Deine Mama nicht mehr haben!“

Ich hatte ja bis zu diesem Zeitpunkt gedacht, die Next wäre zusammen mit meinem Partner die einzig Vernünftige in der Nachtrennungs-Konstellation. Und der Ex schlug in die gleiche Kerbe: „Deine Mama will Dich nicht. Aber WIR würden uns FREUEN, wenn DU dann noch länger bei uns bleibst.“

Meine Tochter sagte zu mir, es klang so wie: „Wie kann man als Mutter sagen, dass man das eigene Kind nicht mehr haben will?!“

Wie soll ich da als Mama reagieren?

Ich liebe meine Tochter über ALLES! Und ich liebe sie mit Läusen! Mit eiternden Pickeln! Mit Wutausbrüchen! Mit Hausaufgabendramen! Mit übertriebenen Szenarien! Mit unlustigen Witzen! Mit Essensnörgeleien! Mit Lügen! Mit Flunkern! Mit Ausreden!

Meine Liebe ist allumfassend. Und sie weiß das! Und ich dachte, sie spürt das. Ich sage es ihr. Ich zeige es ihr.

Und doch fragt sie: „Mama wirklich?“ 

Und es bricht mir das Herz!

„JA, mein Mädchen! Wirklich!“ 

Also verdammt: Wo fängt Entfremdung an?

Foto: bezahlt istock – Stock-Fotografie-ID:925316050

3 Kommentare zu „Verdrehung der Tatsachen

    1. Danke Dir. Sie versteht es auch. Durchleben die Läuseprozedur ja jedesmal zusammen. Und sie weiß, dass ich sie nie deswegen zurück zum entlausen schicken würde, weil ich ne fiese Mama bin und sie nicht liebe, sondern weil das mal ne gerechte Verteilung wär. Trotzdem hat sie die Art und Weise wie da der Ex und die Next ins Bockshorn jagen sehr verunsichert.

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  1. Also das mit Männern und Läusen scheint tatsächlich ein Männer-Problem zu sein. Ich habe mit sogar extra eine UV-Lampe gekauft, um die Dinger zu finden, und habe trotzdem lieber die doppelte menge am Shampoo genommen, weil mein Sohn auch noch Schuppen in seinen langen Haaren hatte und in der Waldorfschule, wo wohl einige Eltern echt noch glauben man bekommt die Dinger mit heißen Wasser weg, war eigentlich nach allen längeren Ferien Läusezeit. Irgendwann bekam er dann einen jungenmäßigen Kurzhaarschnitt. komischerweise hatte ich bei meiner Tochter, die die dünnen Haare ihrer Mutter geerbt hat, nie das Problem.
    Zur Entfremdungsfrage:
    Ich finde da kann finde ich schon offen mit dem Kind drüber reden, was man dem Vater eigentlich gesagt hat, und dass man es ungerecht findet, wenn sie immer nur vom Vater mit Läusen zurück kommt. Er hätte ja zwei Wochen zeit, dafür zu sorgen, dass sie Läusefrei nachhause kommt, und dass man die Zeit, wenn er die eine Woche Läusebehandlung dran hängt, natürlich an die nächste Mutterzeit dranhängen will, weil man ja auch die entspannte schöne Zeit mit ihr genießen will und nicht die Hälfe seiner Zeit damit verbringen will die Läuse aus der Papazeit zu entfernen.
    Ich habe mich ja auch Jahrelange damit zurückgehalten, worauf meine Ex geschissen hat, die trotzdem jede Laus, die ihr über die Leber lief, wild ausgelebt hat.
    Als meine Ex- das letzte Mal ihre „Tut mir leid, dass dein Vater jetzt nicht da ist, damit ich ihm das direkt sagen kann, was ich dir jetzt um die Ohren haue“ Nummer abgezogen hat, habe ich meinem Sohn gesagt, dass ich keine Lust habe das Gleiche zu tun, aber wenn er bei seiner Mutter jetzt irgendwas gehört hat was Zweifel bei ihm aufgeworfen hat, kann er mich gerne Fragen und dann werde ich ihm meine Sicht der Dinge sagen. Das war eigentlich sehr erfolgreich. Mein Sohn hatte irgendwann keine Lust mehr sich das bei seiner Mutter anzuhören. Und meine Tochter hat ihr und ihrem neuen Mann noch einige Male gesagt, sie sollen ihren Mund halten, denn sie würde ihren Vater besser kennen, aber irgendwann wollte sie auch nicht mehr zu ihr. wobei bei meiner ex der neue wohl eher die kriegstreibende Kraft war und nachdem der Ausgezogen war, hatte es sich wieder etwas normalisiert

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