Ein Leben dazwischen
Wie fühlt es sich an, wenn man in einer Wohnung leben „muss“, bei der ich froh bin sie überhaupt irgendwie zahlen zu können, in der wir nicht leben wollen?
Wie fühlt es sich an, wenn wir in einer Stadt leben müssen, der wir am liebsten den Rücken kehren möchten?
Wie fühlt es sich an, abends allein zu sein und mit deinem Partner zu telefonieren, der 800km entfernt wohnt?
Wie fühlt es sich an, wenn du weißt, du machst das alles nur für deine Tochter, weil der Vater dich nicht mit Kind aus seiner Nähe wegziehen lässt?
Abends, wenn es draußen dunkel ist und die Stadt von Millionen Lichtern erhellt wird, stehe ich, bevor ich mich zum Schlafen lege, an meinem Dachfenster und lasse mir die kühle Nachtluft ins Gesicht wehen. Und ja manchmal, trocknet der Wind auch ein paar Tränen, weil ich mich einsam fühle.
Es sind noch nicht viele Minuten vergangen und ich habe meinem Lebenspartner und großer Liebe am Telefon eine gute Nacht gewünscht. Wir telefonieren jeden Abend und teilen in 60 – 90 Minuten lang unseren Tag. So wie es auch Paare machen, die zusammen leben. Der Unterschied ist, dass ich dabei meinen Kopf nicht auf seine starke Schulter legen kann oder ich nicht zu ihm unter die warme Decke schlüpfe.
Für die Winterzeit habe ich mir eine extragroße 2×2 Meter dicke Daunendecke besorgt, damit sie mich wohlig warm umfängt und mich tröstet. Auch sie trocknet ab und an einige Tränen.
Und nun? Kommt der Frühling und der Sommer und somit das 4. Jahr der Fernbeziehung. Die dicke Decke habe ich unterm Bett verstaut und beziehe mein Bett mit zwei leichten Sommerdecken. Nur eine Decke verkraftet mein Herz nicht, dass sieht so verloren aus in diesem großen einsamen Bett und ich habe nichts wo ich nachts meine Beine umschlingen kann.
14 Tage lang schläft nebenan meine Tochter. Ich könnte sie an manchen Abenden stundenlang betrachten, wie sie mit ihren neun Jahren zusammengerollt ihre Bettdecke genauso umarmt wie ich. Wie entspannt sie aussieht und wie sie ihren Stofftiger festhält.
Django, der Tiger. Schläft in den anderen 14 Tagen manchmal bei mir im Bett. Damit ich nicht so allein bin. Den Gang ins Kinderzimmer schaffe ich nur selten, es tut so weh es so verwaist zu sehen. Das Zimmer und ich fühlen wohl das Gleiche: traurige Leere.
Und doch weiß ich, dass sie in den zwei Wochen Papazeit auch glücklich ist. Und genau deswegen halte ich durch. Allein in einer zu großen und überteuerten Stadt. Meist 4-5 Wochen getrennt von meinem Partner. Manchmal reicht das Geld um mit dem Sparticket für ein paar Tage hochzufahren. Meistens reicht es nur für Knäckebrot, Käse und Lidl Rotwein. Den guten österreichischen Zweigelt. Wenn ich Glück habe, sind noch ein paar Oliven drin.
Es fühlt sich an wie eine Art Schwebezustand. Ich weiß, dass es nicht auf Dauer sein wird. Und ich weiß, dass wieder bessere Zeiten kommen. Meine beste Freundin hat gestern gesagt, „Geld kommt und geht“. Jetzt wäre die Phase für Flut. Ebbe dauert mir schon zu lange.
Es ist wie eine Verzögerung auf einer langen Reise. Der Zug fährt einen Umweg und muss mitten im Nirgendwo halten. Das einzige was ich tun kann, ist trotzdem die Aussicht zu genießen und hoffen, dass ich irgendwann ankommen werde. Hoffentlich habe ich noch genügend Brot und Käse dabei.
Liebst, Anne
Ja, das ist immer eine zweischneidige Sache, wenn der Lebensmittelpunkt des Kindes den Lebensmittelpunkt der Eltern definiert. Ich habe einmal darüber nachgedacht mit meinen Kindern aus ihrem bestehenden Lebensmittelpunkt zu reißen, aber da passte alles so gut, dass die Kinder nicht nur meinetwegen mitgezogen wären.
Aber letztendlich gehört es für mich zur Elternverantwortung dazu, mich da zurückzunehmen. Meine zweite Frau hatte damals, als wir uns kennengelernt haben ein Haus 200 km von Hamburg entfernt. Da war ich gerade sogar alleinerziehend, und es lag nicht daran, dass meine Ex-Frau mir Steine in den Weg gelegt hätte. Die musste sich gerade an ihrem psychopathischen Partner und ihrem dritten Kind abarbeiten. Ich hätte trotzdem nicht daran gedacht, meine Kinder für meine Beziehung aus ihrem Umfeld zu reißen. Da meine zweite Frau keine Kinder hatte, war es an ihr, zu entscheiden, ob sie die Beziehung wollte und sich nach Hamburg umorientiert. Ich habe es selber als Kind mitgemacht für meine Mutter (und ihre Beziehung) zweimal mein soziales Umfeld hinter mir zu lassen. Nach dem dritten Umzug, habe ich lieber jeden morgen eine dreiviertel Stunde Fahrt akzeptiert, als nochmal damit anzufangen und habe an unserem Wohnort niemanden kennengelernt, für den ich heute mal besuchen würde. Meine erste Freundin hatte es noch schlimmer getroffen. Die Mutter zog jedes Jahr in eine neue Stadt zu einem neuen Liebhaber, die ersten zwei Jahre parkte sie die Tochter in einer Pflegefamilie, bis sie mit 6 das erste Mal vom Balkon springen wollte. Danach nahm sie auf jeden Umzug mit.
Kinder bekommen beinhaltet leider mehr Verantwortung, als nur dafür zu sorgen, dass essen auf dem Tisch steht sich die Probleme der Kinder anzuhören und aufgrund meiner eigenen Erfahrungen bin ich sehr zurückhaltend mit der Idee, das Kind für eine Beziehung aus dem Umfeld zu reißen. Für mich ist das (auch wenn es das Leben der Eltern schwerer macht) der größte Segen des gemeinsamem Sorgerechts und des Wechselmodells, dass Eltern gezwungen werden ihre eigenen Bedürfnisse nicht über die Bedürfnisse des Kindes zu stellen, denn was passiert, wenn Du Dein Kind mitnimmst und sie 800 Km von Ihren Freunden neu anfangen muss? Natürlich wird sie es für Dich tun, denn sie möchte ja nicht dafür verantwortlich sein, dass Ihre Mutter nicht Glücklich ist, aber es ist nicht ihre Aufgabe sich dafür verantwortlich zu fühlen.
Ich weiß wie sehr es mich verletzt hat, ein halbes Jahr nach unserem ersten Umzug meinen damals besten Freund wiederzusehen und festzustellen, dass die Entfernung unsere Freundschaft hat verpuffen lassen. Und was passiert, wenn Deine neue Beziehung in der neuen Umgebung nicht hält? Wenn der Alltag auf Dauer nicht funktioniert? Zieht Ihr dann wieder zurück? Schon mal darüber nachgedacht, die gleiche Forderung zu stellen, die ich damals gestellt habe? Warum soll er nicht umziehen, wenn er noch keine Kinder hat?
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Vielen Dank für Deine Worte. Ich gebe Dir in vielen Punkten recht. Im Gegensatz zu Dir hatte ich das Glück bis zu meinem 18 Lebensjahr an einem Ort in einem Zuhause aufwachsen zu dürfen. Sowas prägt und ich bin mit meiner Heimat immer noch sehr verbunden, obwohl sie ebenfalls viele Kilometer weg ist. Doch Heimat ist kein Ort, sondern Erinnerungen. Ich glaube auch, dass ein ständiger Wechsel der Umgebung, Freunde und Lebensmittelpunkte psychisch starke Spuren hinterlässt. Und bin genauso dafür Kindern ein stabiles schönes Zuhause zu erschaffen. Doch manchmal im Leben sind Wünsche eben keine Realität. Was machen zum Beispiel Familien deren Väter bei der Bundeswehr sind? Hier ist ein Ortswechsel aller 2-4 Jahre vorprogrammiert. Ob Frau und Kinder an einem Ort bleiben oder immer wieder mitziehen, ist denke ich, eine intime Entscheidung der Familie und muss von den Eltern getragen werden können. Ich bin der Meinung, wenn Eltern zu 100% sicher hinter dem stehen, was sie entscheiden, können auch Kinder gut damit umgehen.
In meinem Blogpost ging es dieses Mal nur um mich. Meine Gefühle und Gedanken. Natürlich müssen Eltern hinter den Bedürfnissen ihrer Kinder zurückstecken. Doch was tut man als erziehender Elternteil nicht eigentlich jeden Tag? Wir stecken seit der Geburt hinter unseren Kindern zurück. Und das ist gut so, denn wir haben uns entschieden Verantwortung zu tragen.
Ich habe auch nicht (mehr) vor Matilda hier aus ihrem Umfeld herauszuholen. Und ein Umzug in den Norden wäre nicht nur wegen meinem Partner (den ich seit 15 Jahre kenne) , sondern vor allem aus gesundheitlichen Gründen. Würde er in Stuttgart wohnen wo die Luftqualität noch schlechter ist als hier, wäre das für mich überhaupt keine Option. Es geht aber darum in ein Klima zu ziehen, was mir und meiner Lunge gut tut. Allergiearme Meeresluft. Und es geht darum, dass ich dort jemanden hätte, der mich unterstützt, wenn ich krank bin. Hier in dieser Stadt bin ich auf mich allein gestellt und die Luftverschmutzung belastet mich an vielen Tagen enorm. Es hätte also hauptsächlich gesundheitliche Gründe. Wenn Matilda alt genug ist und ihre eigene Wege geht, wird mein Wohnort irgendwo an der Ostsee sein. Einfach damit ich noch ein paar Jahre rausholen kann, in dem es mir einigermaßen gut geht.
Wie Du siehst, geht es nicht immer nur um die Wünsche der Kinder. Man muss auch selbst Dinge für sich abwägen, die man im eigenen Leben für richtig hält.
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In Familien wo das mit dem Beruf der Eltern zu tun hat, dass alle regelmäßig umziehen kann eine starke Familiengemeinschaft sicherlich einiges Kompensieren,
Aber ich kann dein Gefühl durchaus verstehen, ich habe auch diverse Dinge zurückgesteckt, als das erste Kind kam. nicht weil es sein müsste, sondern rückblickend, weil ich mir habe einreden lassen habe, dass es sein muss. Wenn es bei dir gesundheitliche Gründe hat kann das natürlich auch einfach schwerer wiegen. Pauschale Lösung die 100% auf alle Probleme passen, gibt es nun mal nicht.
Es tut mir leid, wenn ich gerade den typisch männlichen Fehler gemacht habe, dass ich gleich wieder mit Analyse und Lösungsansätzen vorgeprescht bin, dabei hat mir meine ex-Frau schon eingebläut, dass es Frauen manchmal einfach nur darum geht verstanden zu werden.
Wie gesagt, ich kann es schon verstehen, dass es anstrengend und auslaugend ist, immer jemand anderen im Fokus zu haben. Und sicherlich ist es manchmal gut auch den Fokus zu verschieben und schauen, ob sich da trotzdem ein Bild ergeben kann, selbst wenn das erst später realisiert werden kann.
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