
Softcover, 285 Seiten, 18€ Kindle 13,99€
ISBN: 978-3-95883-475-0
Auflage September 2020
Kamphausen Media
Aufschrei – Die Geschichte eines Trennungskindes
Dass es in Patchwork-Familien immer etwas bunter hergeht, halten viele inzwischen nicht mehr für problematisch, sondern für ganz normal. Sowieso scheint es, als hätten die „umverteilten“ Kinder weniger Langeweile und mehr Spaß: Sie packen regelmäßig die Koffer, pendeln zwischen zwei Kinderzimmern und fahren doppelt so oft in den Urlaub. Überhaupt haben sie von allem mehr: mehr Eltern, mehr Omas und Opas, mehr Geschwister.
Ist das wirklich so?
Natürlich nicht!
Patchwork-Familien sind hoch komplexe und äußerst herausfordernde Gemeinschaftssituationen, denen vor allem die Kinder oft nicht gewachsen sind. Die Autorin erzählt von ihren eigenen verwirrenden und traumatisierenden Kindheitserfahrungen durch die Trennung der Eltern, dem großen Schmerz und der Machtlosigkeit in einem Konstrukt, dem sie ausgeliefert war.
Erwartungen
Als ich die Anfrage bekam, dieses Buch zu lesen und zu rezensieren, hatte ich aufgrund des Klappentextes und der Auswahl meines Blogs etwas anderes erwartet. Es geht nicht wie angenommen um reine Kindheitserinnerungen einer Trennung und eines anschließenden Aufwachsens in einer Patchworkfamilie. Sondern um eine schmerzliche Trennung mit Abwesenheit des Vaters und Jahre später ein Leben als „Stiefmutter“ in Patchworkkonstrukten. Die streng genommen auch kein Patchwork sind, denn es geht immer nur um das Kind des Partners, wo die Autorin die Stiefmutter ohne eigene Kinder ist.
Lange nach dem Lesen habe ich überlegt, ob ich es hier überhaupt als Literaturempfehlung vorstellen soll.
Persönliche Aufarbeitung
„Aufschrei“ ist eine Biografie unter dem Pseudonym Zela Sol geschrieben und eine Art Eigentherapie, um die Vergangenheit zu bewältigen. Ich finde, dass Schreiben sehr wohl eine hilfreiche Methode ist, um Erlebnisse aufzuarbeiten. Schreiben ist heilsam! Den Haken, den ich bei diesem Buch sehe, ist die Irreführung der Vermarktung.
Worum geht es also?
Die Autorin verarbeitet sehr emotional die Trennung ihrer Eltern, als sie 7 Jahre alt war. Der Vater war zuvor immer mehr dem Alkohol zugetan, was das Familienleben sehr belastete und an einem entscheidenden Abend kam es zum endgültigen Aus. Als er wollte, dass ihr jüngerer Bruder beim Vater aufwachsen sollte und sie bei der Mutter, wurde sie nicht nur vom Vater verlassen, sondern auch noch verraten. Diese Wunde heilte nie. Verständlicherweise.
Die Geschwister blieben beide bei der Mutter. Einige Zeit später verliebte sich die alleinerziehende Mutter der Autorin neu und ein Stiefpapa zog ein. Diesen hatten die Geschwister immer wieder spüren lassen, dass er nicht der gewünschte biologische Vater war, auch wenn er sich alle Mühe gab.
Später wurde die Autorin selbst zu einer Stiefmutter. Zweimal verliebte sie sich in alleinerziehende Väter. Sie beschreibt die Situationen, wie sie ihre Rolle als Stiefmutter erlebt hatte, sehr eindrücklich. Immer wieder an zweiter Stelle zu stehen, lies die vergangenen Wunden nie heilen.
Erst als sie selbst in einem Zuhause ankommen durfte, fasste sie allen Mut zusammen und versuchte eine Kontaktaufnahme mit ihrem Vater – den sie ein Leben lang vermisst hat.
„In keinem Fall ist meine Geschichte eine Anklageschrift, die pauschal an Trennungseltern adressiert ist.“
Presseinformation zum Buch
Fazit
Und doch fühlt es sich beim Lesen so an. Es ist eine Anklageschrift, die sich an Trennungseltern richtet mit dem Hilfeschrei: Seht was ihr euren Kindern damit antut.
Doch ich kann da nur mit dem Kopf schütteln. In keiner Zeile habe ich mich als Trennungskind und als getrennterziehende Mama wiedergefunden. Diese Biografie ist eine höchst emotionale Aufarbeitung eines verlassenen Kindes, welche die Abwesenheit und die Ablehnung des Vaters nie verwunden hat. Für denjenigen Leser, dem es genauso erging, ist dieses Buch sicher hilfreich.
Genauso wäre dieses Buch hilfreich den Müttern zum Lesen zu geben, die ihre Kinder dem Kindesvater bewusst entziehen und entfremden, um nachzuvollziehen, was sie ihren Kindern da antun.
Ebenso lesenswert ist es für Väter, die sich aus der Verantwortung entziehen und regelmäßige Umgänge nicht wahrnehmen oder gar den Kontakt verweigern.
Den Fokus auf das Thema Patchwork kann ich nicht nachvollziehen. Es sind normale Konflikte, die in intakten Familien (Beispiel Schwiegermonster) wie auch in Nachtrennungsfamilien entstehen.